Buchtipp #8 Kriegsenkel. Die Erben der vergessenen Generation.

(Sabine Bode, Verlag Klett-Cotta 2015, ISBN 978-3-608-94808-0)

Klappentext

Die Kinder der Kriegskinder melden sich zu Wort.

Die Kriegsvergangenheit zeigt auch heute noch in vielen Familien Spuren, bis in die zweite und dritte Generation hinein. Ein Buch, das den „Kriegsenkeln“ hilft, ihre Eltern und sich selbst besser zu verstehen.

„Die Kriegsenkel sind die heute 35- bis 50-jährigen Kinder der ‘Kriegskinder’. Sabine Bode verdeutlicht anschaulich die weitreichenden transgenerationalen Auswirkungen auf ihre Erziehung und Entwicklung und sogar auf ihre gegenwärtigen Beziehungen.“
Hartmut Radebold

„Sabine Bode beschreibt, wie die Schrecken des Zweiten Weltkriegs bis heute in vielen Familien fortwirken.“
Andreas Fasel, Welt am Sonntag

Mein Eindruck

Sabine Bode widmet sich in diesem Buch dem Thema Zweiter Weltkrieg auf eine etwas andere Art.

Sie skizziert anhand von biographischen Interviews mit Kindern der Kriegskinder – den Kriegsenkeln – die Folgen der sogenannten transgenerationalen Weitergabe. Das bedeutet wie Prägungen und Traumata der Kriegskinder in die nächste(n) Generation(en) wirken.

Sogenannte Kriegsenkel sind die Generation der ab Ende der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre geborenen Kinder, deren Eltern als Kinder den Zweiten Weltkrieg erlebt haben.

Ihr Ausgangspunkt sind dabei die mittlerweile gefestigten Thesen, dass Krieg sich einerseits immer auf Betroffene auswirkt, egal ob Täter oder Opfer. Und andererseits unbearbeitete Traumata und Prägungen sich auf den unterschiedlichsten Wegen in den nächsten Generationen fortsetzen.

Dieses Buch ist kein „Lösungsbuch“ oder Selbsthilfebuch im klassischen Sinne und dennoch bietet es so etwas wie Lösungen: nämlich Erklärungen, (Hintergrund-)Informationen, eine Bandbreite an dargestellten Erfahrungen. Und somit der betroffenen Generation die Möglichkeit, die bisher vielleicht unverständlichen Puzzle-Stücke und Fragen ihres Lebens selbst besser zusammentragen und verstehen zu können.

Anhand der 18 Geschichten innerhalb der 14 Kapitel zeigen sich trotz der Unterschiedlichkeit der einzelnen Lebenswege ein paar Gemeinsamkeiten, die vielleicht sogar symptomatisch sind für Viele einer Generation:

  • fehlende emotionale Erreichbarkeit, Wärme oder echtes Interesse der Eltern an ihren Kindern
  • die Diskrepanz zwischen einem allgegenwärtigen Übermaß an Fakten bei gleichzeitig fehlenden Informationen zur eigenen Familiengeschichte
  • und etwas, das Sabine Bode „Nebel“ nennt und letztlich ein Begriff ist für viele nicht greifbare, nicht offensichtliche, nicht ausgesprochene oder thematisierte Gefühle, Stimmungen, Erlebnisse und deren Folgen innerhalb der Familien

Das Buch zeigt sich trotz der Schwere des Themas angenehm unaufgeregt, da es ohne Schuldzuweisungen oder Verurteilungen, ja fast schon neutral beobachtend geschrieben ist.

Dennoch bleibt der Bezug zur emotionalen Betroffenheit der Interviewpartner erhalten. Es liest sich einfach, wenn auch nicht leicht. Meiner Ansicht nach bietet das Buch sich an, auf eigene Resonanzen beim Lesen zu achten. Sich gegebenenfalls Notizen zu machen und anschließend allein oder mit therapeutischer Begleitung die jeweils eigenen wichtigen Punkte anzugehen. Damit so viele Jahre nach Kriegsende endlich Frieden und Freiheit in die Seelen einkehrt.

Fazit: Lesenswert – für alle, die die langen Schatten der Vergangenheit überwinden oder einfach nur verstehen wollen.